Die Lausitz im Ersten Weltkrieg

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Der Alltag in der Lausitz zu Zeiten des 1. Weltkriegs

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Lebensmittelknappheit in Cottbus

Obwohl es keine direkten Kriegshandlungen in der Lausitz während 1914 bis 1918 gab, hatte der Krieg dennoch starken Einfluss auf das Leben der Menschen. Besonders ab 1916 war das größte Problem für die Lausitzer, etwas zu Essen zu bekommen.

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Eisbärenfleisch in Weißwasser

Einen besonderen Weg bei den Lebensmittelrationierungen ging die Stadt Weißwasser, deren Bürgermeister Otto Lange bereits im Februar 1915 eine Verordnung über den Mehl- und Brotverbrauch erließ. „Dieses Muster haben später mehrere umliegenden Gemeinden nachgeahmt“, erklärt Historiker Werner Schubert. Lange hatte zudem auch ungewöhnliche Speisen 1916 organisiert: „Er organisierte Stockfisch und Eisbärenfleisch“, weiß der Weißwasseraner. Um Brennstoffe zu sparen, wurde in der Lausitz im Dezember 1916 jede Leuchtreklame verboten. „Alle Verkaufsstätten waren um 19 Uhr, Gasstätten- , Cafés, Theater und Vergnügungsstätten ab 22 Uhr geschlossen“, weiß der Archivar Udo Bauer.

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Auch die finanzielle Situation gestaltete sich schwierig. „Die Cottbuser Stadtverordneten hatten am 29. März 1917 erstmals über die Ausgabe von Kriegsnotgeld zu befinden“, erzählt Bauer. So wurden je 100 000 Fünfzig- Pfennig-Scheine und Zwanzig- Pfennig-Scheine ausgegeben. Gleichzeitig zeichnete Cottbus eine halbe Million als sechste Kriegsanleihe. Noch am 1. Oktober 1918 hatte die Märkische Volksstimme eine neunte Kriegsanleihe gefordert: „Von Deutschlands Schicksal bist auch du ein Teil, was Du dem Lande tust, Du tust es Dir zum Heil!“

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Der Magisterrat der Stadt Cottbus hat Ende 1918 Notgeld herausgegeben, was nur eine bestimmte Zeit Wert hatte.

Nach der Kapitulation Deutschlands zählten die Kriegsgefallenen allein in Cottbus 1125 Soldaten. Mehrere Soldaten kehrten in die Stadt zurück, weshalb die Stadtverordneten vorschussweise eine Mittel für die Errichtung einer Sicherheitswache am Markt 22 bereitstellten. Am 29. Dezember 1918 wurden die Heimkehrer auf dem Schillerplatz offiziell begrüßt.

LEBENSMITTELRATION

Ab 1917 galt für Cottbuser eine wöchentliche Lebensmittelration von 1,6 Kilogramm Brot, 100 Gramm Fleisch und 40 Gramm Blut- oder Leberwurst. Ab dem 3. April 1917 schrieb die Reichsbekleidungsstelle vor, welche Kleidungsstücke sowie welches Schuhwerk jeder besitzen durfte.

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Waffenspeiseanstalt im Spreewald

Im Sommer 1916 wurde im Auftrag des zuständigen Magisterrates in Vetschau eine Kriegsküche für gut 1000 Reichsmark in leeren Fabrikgebäuden in der Bahnhofsstraße errichtet. Der damalige „Vaterländische Frauenverein“, unter der Leitung von Elise Musäus, versorgte bereits in der ersten Woche 645 Menschen, später durchschnittlich 950 Personen mit Essen. Im Herbst 1916 heißt es im Kreiskalender: „Durch frühzeitigen, freihändigen und umfangreichen Einkauf, namentlich an Gemüsen und Obst, welches teils eingemietet und teils gedörrt wurde, ist es möglich gewesen, den Bedarf der Küche voll zu befriedigen und eine zu schnelle Wiederholung der Speisen zu vermeiden.“ In der Lausitz gab es zahllose Kriegsküchen in der Zeit.

Strafanzeige wegen Butterhinterziehung

Die Lebensmittel im Krieg sind streng rationiert. Eine Frau in Guben bekommt die Anweisung der Polizei gegen das Hammstern hart vorzugehen im Winter 1916 zu spüren. Als Vorräte von Hülsenfrüchte und Kohlrüben in ihrer Wohnung gefunden werden, muss sie sich vor Gericht verantworten und die Vorräte abgeben. Die Frau erhält eine Verwarnung.

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Flugzeug stürzt 1917 in Cottbuser Innenstadt

Am 1. Oktober 1917 stürzt ein Militärflugzeug des Typs Aviatik C I auf die Häuser der Amalienstraße Nummer acht und neun. Dies berichtet der Cottbuser Anzeiger im selben Jahr. Bei diesem Absturz verloren 37 Flieger ihr Leben. Sie gehörten der Fliegerersatzabteilung zwölf (FEA-12) an, die auf dem Cottbuser Flugplatz ausgebildet wurde.

Martin Noack aus Dissen schreibt:

Am 2. August 1914 war der Erste Weltkrieg ausgebrochen und so musste mein Bruder gleich am 4. August sich beim Bezirkskommando in Cottbus stellen und kam dann gleich an die Westfront und blieb dort bis 1918. Ich hatte dann für ihn die wirtschaftliche Arbeit ausgeführt, bis auch ich eingezogen wurde. Im Mai 1915 wurde ich in Cottbus in der alten 52er Kaserne als Infanterist ausgebildet. Ende Juli bekamen wir ein paar Tage Urlaub und wurden dann verlegt nach Ostrowo an die russische Grenze zur weiteren Ausbildung beim Regiment 147. [...]

Es wurde alle Tage tüchtig geübt [...] und so hieß es wir kommen in Kürze zur Front nach Russland als Ersatz. Am 7. September ging es mit der Bahn los. [Dann] zu Fuß, alle Tage acht bis zehn Stunden mit dicke vollgepackten Tornister, Gewehr, am Koppel Patronentaschen mit 120 scharfen Patronen. Außerdem waren in Leinengurten 100 Patronen eingenäht, die wir um den Hals hängen hatten. Wer diese nicht mitgenommen hatte, wurde bestraft. So belastet mussten wir drei Wochen lang jeden Tag acht bis zehn Stunden bei strahlendem Sonnenschein laufen, dass der Schweiß bloß immer die Nase herunterlief. [...]

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Wenn wir irgendwo ein Dorf erreichten, so waren die meisten Häuser ausgebrannt. Dann hieß es Wasser und Sternholz suchen und Feuerlöcher machen. Immer zwei Mann haben zusammen ein Essen gekocht. [...] Es waren nur noch leere Scheunen da und zum Hinlegen mussten wir uns vom Dach eine Ecke abreißen, Tornister unterm Kopf und mit dem Mantel zugedeckt schliefen wir dann bald ein. [...]

Nachdem rückten wir in die Stadt Baranowitschi auf einige Tage zu einer Erholung ein und von dort dann in die Schützengräben zur Ablösung der dortigen Soldaten. Dort blieben wir dann den ganzen Winter von 1915 bis 1916. Immer zehn Tage Frontgraben und fünf Tage abgelöst in der Stadt in Ruhe. Das Essen und Kaffee brachte die Feldküche immer abends bei tiefer Dunkelheit ganz hinter Stellung. Es mussten immer zwei Mann von jeder Gruppe holen. [...]

Zum Hinlegen war eine Pritsche von Stangen zusammengebaut, war aber nur so groß, dass sich vier oder fünf Mann hinlegen konnten. Es war immer eine Wache eingeteilt. Zwei Stunden Wache, vier Stunden Ruhe im Bunker, aber am Tage, oft auch bei Nacht musste außerdem gearbeitet werden. [...] Es mussten bombensichere Bunker gebaut, Reservegräben ausgehoben und Bauholz geholt werden...

Bürgermeister lässt Amtskette schmelzen

Mit Ausbruch des Krieges 1914 erwiesen sich Bargeld und vor allem Gold als einzige feste Zahlungsmittel. „Die Sparkassen und Banken waren am Anfang des Krieges damit konfrontiert, dass die meisten Lausitzer ihr Guthaben und ihre Einlagen abheben wollten“, erklärt Udo Bauer vom Stadtarchiv Cottbus. Jedoch brachten die Bankkunden ihr Geld wieder zurück, als erste Siegesmeldungen im August 1914 in die Lausitz drangen. Ende des Jahres verzeichnete die Sparkasse ein Sparguthaben von mehr als 12 Millionen Reichsmark.

1915 gingen die Spareinlagen deutlich zurück, da sich zahlreiche Sparer an drei Kriegsanleihen von mehr als drei Millionen Reichsmark beteiligten. „Der Sparwille der Sparkassenkunden wurde auch nicht nach der neunten Kriegsanleihe gebrochen“, so Bauer. Immerhin wuchs die Kriegsanleihe bis 1917 auf 6,7 Millionen Reichsmark an. Der Cottbuser Sparwille steht damit im krassen Gegensatz zur wirtschaftlichen Entwicklung in ganz Deutschland.

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Vor allem im Bereich der Lebensmittel hatten die Stadtverordneten in Cottbus schon 1915 die „Opfertage Cottbus“ beschlossen, in denen Mittel für ortszugehörige Hinterbliebene von Kriegsteilnehmern aufgebracht werden sollten. „Für die Kriegsindustrie musste am 29. März Oberbürgermeister Dreifert seine goldene Amtskette gegen eine eiserne eintauschen“, berichtet Udo Bauer.

Das Motto lautete damals: „Gold gab ich zur Wehr, Eisen nahm ich zur Ehr.“ In diesem Zusammenhang wurden auch die Cottbuser Kirchenglocken im Sommer 1917 eingeschmolzen. Damit Kleinhändler an der Spree wie das Kaufhaus Schocken, der Kolonialwarenhändler Kurt Dressler oder der Delikatessenhändler Franz Wawrik erhalten blieben, führte die Stadt Kleingeldersatzscheine ein. „In dieser Zeit herrschte ein Mangel an Münzen“, so der Archivar.

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Ab 1918 wurden alle Cottbuser Banken wie die Niederlassung der Bank für Handel und Industrie, die Filiale der Commerz- und Disconto Bank oder die Niederlausitzer Bank darüber informiert, dass sie städtisches Notgeld ausgeben durften. Durch die Abschaffung der Golddeckung und die finanzielle Mobilmachung für den Krieg wurde bereits 1914 eine Geldentwertung in Gang gesetzt. Die Kriegsschulden beliefen sich 1918 auf etwa 150 Milliarden Reichsmark. Sie wuchsen im Jahr 1922 sogar auf die zwölfstellige Summe von 192 Billionen Mark an. So bedeutete die Inflation zu Beginn der Weimarer Republik für die Cottbuser Bevölkerung ein neues Elendsdasein.

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Briefe von Germanus Theiss

Germanus Theiss war ein Glaßmacher aus Döbern. In seinen Briefen schilderte er seine Erfahrungen im 1. Weltkrieg

1. Kriegsausbruch

Der Juli 1914 brachte aufregende Wochen. Die Kriegserklärungen zwischen Österreich-Ungarn und Deutschland auf der einen Seite und Serbien, Russland, Frankreich und England auf der anderen, überschlugen sich. Überall hingen große Plakate: „Mobilmachung“ stand auf ihnen.

Vieler bemächtigte sich der Rausch der Begeisterung. Die Reservisten rückten mit Gesang in ihre Kasernen ein. „Zu Weihnachten sind wir wieder zu Haus“, riefen sie zum Abschied.

Natürlich wurden die Ereignisse im ganzen Dorf, in den Gaststätten, auf der Hütte und vor den Häusern lebhaft diskutiert. Auch die Glasarbeiter von Döbern waren in der Mehrzahl begeistert. [...] In Döbern hatte die Hysterie des Krieges ebenfalls dazu geführt, dass die Straßen blockiert und alle Autos, die des Weges kamen, angehalten und kontrolliert wurden. Irgendwie hatte man in die Welt gesetzt, dass französische Spione Gold zu dem russischen Bundesgenossen bringen sollten. Diese aufgeregte Fahndung scheint sich im ganzen Deutschen Reich von West bis Ost gezeigt zu haben.

Als erste Maßnahme des Krieges in Döbern spürten wir, dass nach dem Einrücken der Reservisten schon im August 1914 bei Fettke und Ziegler ein Ofen von dreien liegenblieb und ausgelöscht wurde. Die Glasmacher, die nicht eingezogen wurden, hatten nur halbe Beschäftigung, so auch ich.

Die Begeisterung legte sich allmählich, als man merkte, dass dieser Krieg nicht wie 1870 in einem schnellen Vormarsch zu gewinnen war. [...] Als die ersten Verlustmeldungen kamen und sich Rückschläge nicht mehr verheimlichen ließen, als überall Mangel – vor allem in der Lebensmittelversorgung – sich bemerkbar machte, traten an die Stelle der Hochstimmung Beklemmung, Sorgen und Skepsis. Ich hatte die „Amtlichen Verlustlisten“ abonniert. Waren sie anfangs dünn, so schwollen sie bald von Nummer zu Nummer immer mehr an.

2. Die ersten Gefallen

Auch aus der Sippe Theiss-Rosenau zogen junge Männer in den mörderischen Krieg und fielen ihm zum Opfer.Der erste Gefallene war mein Neffe Bruno Nousch, Sohn meiner ältesten Schwester Cäcilie. Eines Tages brachte der Briefträger einen Brief, den seine Mutter an Bruno geschickt hatte. „Zurück an den Absender“ war darauf geschrieben, und auf der Rückseite des Kuverts war mit Handschrift vermerkt: „Am 5. Mai 1915 bei Tarnow-Gorlice auf dem Felde der Ehre gefallen.“ Eine unleserliche Unterschrift und darunter „Hauptmann und Kompanieführer“.

3. Unser ältester Sohn, Georg Theiss

In der allgemeinen Begeisterung der ersten Augusttage hatte sich auch unser Sohn Georg als Freiwilliger an die Front gemeldet. [...] Georg wurde in Küstrin ausgebildet und kam im Juli 1915 als Musketier des Infanterieregimentes 48 ins Feld. Aus einem Schützengraben von Verdun hat er sehr oft geschrieben. Am 10. März wurde er dort mit zwei seiner Kameraden von einer Granate getroffen. Während die beiden anderen tödlich verletzt waren, [...] wurde er in das Reservelazerett Marburg eingeliefert. [...] 30 Granatsplitter, die über den ganzen Körper verteilt waren, waren bei einer ersten Wundsäuberung entfernt worden. Aber eine Besserung trat nicht ein. [...]

4. Georgs Tod

Ich blieb einen Tag bei ihm. Danach wurde er in der Chirurgischen Universitätsklinik noch einmal operiert, und der Arzt machte mir Hoffnung. Am 15. März kam dann das Telegramm „Zustand Ihres Sohnes sehr verschlechtert“. Ich fuhr am 16. April ein zweites Mal zu ihm, und man ließ mich nicht darüber im Zweifel, dass mit dem Ende stündlich zu rechnen sei. Georg musste sich furchtbar quälen, und doch dauerte es noch Tage bis zu seinem Tod. [...] Es waren qualvolle Tage. Ich wollte ihm so gerne helfen und konnte doch nichts tun. Er sagte immer, wir sollten uns nicht grämen, er sterbe nicht. [...] Von Marburg aus schrieb ich zwei Briefe [...] Ich habe sie bis heute aufbewahrt. Mögen sie hier in meinen Lebenserinnerungen stehen als Dokument von Hoffen und Bangen, von Schmerz und Kummer tausender Väter, die wie ich, um ihren gefallen Sohn trauern.

Brief von Theiss an seine Frau, Marburg, 17. April 1916

„Meine Lieben!

Wenn Ihr diesen Brief erhalten werdet, wird wohl unser lieber, guter Georg nicht mehr sein. Als ich gestern ankam, ging ich gleich zu ihm. Er freute sich herzlich darüber, und ich hatte die größte Hoffnung. [...] Er wurde gemessen, es war hohes Fieber, über 40 Grad. Es wurde mir gesagt, ich soll eine Stunde fortgehen, vorher sprach ich noch den Arzt. Er sagte, es wird wohl zu Ende gehen. Um halb 6 ging ich wieder hin [...] Sie können jetzt so lange bleiben bei ihm, wie sie wollen. Man erwartete das Ende, ich blieb bis 9 Uhr bei ihm und glaubte, er stirbt jeden Augenblick. Aber er hat auch diese Nacht noch überstanden. [...]

Heute früh bin ich mit pochendem Herzen hingegangen [...] Wie ich bei ihm war, kamen fünf Ärzte mit Geheimrat König. Er sagte „wenig Hoffnung. Der Eiter ist zu weit vorgedrungen.“ Es ist jetzt 10 Uhr vormittags, ich musste wieder fortgehen, daher schreibe ich. Ach, wenn der arme Junge bald erlöst würde. Es macht mich krank, dieses anzusehen, und doch möchte ich gern alles besorgen und hier bleiben. Und es kann sein, er muss sich noch lange quälen. [...] Meine Lieben, wir wollen nicht murren. Aber man fragt sich, womit haben wir dieses verdient? Nun tröstet Euch, und nun verbleibe ich Euer tiefbetrübter Germanus.“